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    23.03.2022, 14:11 Uhr

    Wie eine Feder im Wind - Ginny


    Ginny ist fort, unsere kleine Püppy ist tot. Wie eine Feder im Wind flog ihre Seele davon, leicht und unbeschwert, als wäre das Sterben ein Leichtes, wenn der Körper nur noch ein Ballast ist. Der Tod kann auch eine Erlösung sein, wenn der Geist fast nicht mehr da ist, der Körper schwach und gebrechlich und die Seele glücklich ist, loslassen zu dürfen.

      
    Hatte die Chefin noch bis zur letzten Stunde Sorge, dass es zu früh sei, dass sie es sich vielleicht zu leicht machen würde, hat Ginny mit einem tiefen Atemzug Abschied genommen von ihrem langen Leben und ohne Blick zurück das himmlische Taxi genommen, dass sie dahin brachte, wo die Seele frei ist für immer.

      
    Die letzten Tage haben wir es der kleinen alten Dame noch richtig schön gemacht. Es gab die besten Leckerchen zum Essen, es gab Waffeln und Steak und Käse und Fleischwurst, alles Dinge, die dem alten Körperchen noch gefielen und die Ginny mit Genuss aß. Sie lag, so lange sie wollte auf dem Schoß oder mit im Bett und manchmal fand sie dort noch glückliche, friedliche Entspannung.
    Aber dann waren da die Absencen, wo Ginny durch die Wohnung irrte und sich in Ecken verrannte, wo die Chefs sie kaum noch wiederfanden: In einem Regal, hinter den Putzsachen, hinter der Zimmerpalme. Die Chefin wusste gar nicht, dass es in unserer Wohnung so viele Verstecke gibt.
    Ginny verfing sich auch in Kabeln oder fiel gegen Gegenstände, weil ihre Koordination immer wieder zusammen brach. Zweimal hat sie auf dem Schoß der Menschen angefangen zu schreien, weil sie plötzlich gar nicht mehr wusste, wo sie war und sich von fremden Mächten bedroht sah. Demenz ist etwas Gruseliges!

      
    Am letzten Tag, nach einer ruhigen Nacht, in der die Chefin mit ihrer alten Maus nur 2 Mal draußen war, hat Ginny noch ein kleines Nickerchen an die Chefin gekuschelt im Bett gemacht, hat sich dann leicht verwirrt zu Simba und mir in den Korb gesetzt und zum Frühstück sehr genüsslich eine ganze Waffel gemümmelt.

      
    Wir Hunde haben die kleine alte Dame immer sehr gelassen und freundlich behandelt, auch wenn Ginny im Laufe der Zeit alle Höflichkeitsregeln über Bord geworfen hatte. Sie purzelte planlos in unsere Körbe, stolperte über ausgestreckte Beine und stand plötzlich unter meiner Brust, während ich gerade mein Abendessen verputzte. Sie meinte es ja nicht böse, sondern wandelte wie ein Geistchen durch die Wohnung.

    Mit Ginny ist eine Ära zu Ende gegangen. Sie hat noch den alten Lasse gekannt und war Gouvernante und zickige Spielpartnerin von Jack und mir als kleinen Welpen.




    Als echter Terrier war sie eine begeisterte Zerr-Spielerin und es war ihr auch komplett egal, wenn sie dabei mal den Boden unter den Füßen verlor. Ein Terrier lässt nicht los, was er mal gegriffen hat!

      
    Ginny und ich hatten immer eine entspannte gute Beziehung. Gerade in älteren Jahre war ich, glaube ich, nach Bosse der einzige Hund, den sie wirklich mochte. Jack war ihr zu hektisch und die Mädels einfach unter ihrer Würde.

      
    Als Welpe hat sie mich zwar gemobbt, aber als Kavalier und Gentleman-Retriever habe ich ihr das nie übel genommen.




    Ginny war immer ein Menschen-Hund. Auf ihrem Ginny-Planeten hätte es andere Hunde definitiv nicht gebraucht. Am liebsten im Körperkontakt auf dem Schoß oder im Bett oder stramm immer einen Meter hinter der Chefin spazieren gehend – Ginny achtete auf ihre Leute. Sie war der Terrier ohne Jagdtrieb (Hasen hielt sie definitiv für gefährlich), der Minihund, der für sein Leben gern schwamm und wanderte und Tricks, ob mit anderen Hunden als Partner oder allein, mit einem Strahlen auf dem Gesicht absolvierte.




    Sie war der Star in Neumünster und auf Dogdance-Turnieren, weil sie so klein war und so lustig und so putzig!

      




    Auch Agility fand sie ganz großartig – unser kleiner Springfloh!

      
    Die Welpenepisoden fand Ginny grenzwertig unnötig, Welpen waren ungeschickt, trampelig und dachten, dass ein Mini-Terrier bestimmt sehr geeignet wäre zum Spielen – Ginny fand Welpen so was von nervend!

      
    Bis auf Murkel – aber Murkel liebten ja alle!

      
    Ginny war immer mittendrin, lag bei Autoreisen 10 Stunden ohne sich zu bewegen auf dem Schoß, fand immer einen Zugang zu Menschen (selbst die Tante der Chefin, seit 90 Jahren erklärte Hunde-Nicht-Mögende, fand Ginny großartig) und war so geduldig, dass sie niemals etwas forderte.

      

      
    Klar, sie war auch ein Terrier, sie konnte richtig viel bellen, aber nur, wenn jemand kam. Wenn derjenige nett war, hat sie ihn sofort in ihr großes Herz aufgenommen. Die Chefs haben nie eine Klingel gehabt, sie hatten ja eine Ginny, und erst als die alte Maus taub wurde, haben sie bemerkt, dass man vielleicht doch mal eine Klingel installieren müsste.

      
    Lange, lange war Ginny nicht alt, sie lief die Spaziergänge mit, freute sich an allem, vor allem wenn die Sonne schien und war körperlich ohne Gebrechen außer der zunehmenden Taubheit.

      
    Erst ihr Vestibulärsyndrom und der wahrscheinlich damit gekoppelte Schlaganfall schmetterten sie mit einem Schlag ins Alter. Vorbei die Spaziergänge, vorbei die Trickserei, ab da kannte das Leben Schwierigkeiten. Aber langsam erholte Ginny sich davon, konnte wieder fröhlich sein und Anteil nehmen, bis die Demenz irgendwann das Leuchten aus ihren Augen nahm und das Leben anstrengend wurde. Klaglos akzeptierte sie, dass sie nicht mehr auf das Bett springen konnte, dass sie manchmal beim Fressen nicht mehr das Gleichgewicht halten konnte und sich immer erst wieder erinnern musste, wie man beim Trinken schluckt.

      
    Wir hatten gehofft, dass der Frühling nach dem komplett verregneten, matschigen Februar noch einmal die Lebensgeister wecken würde. Bei Jack hat das auch geklappt, seitdem er nicht mehr wegrutscht und die Gartensaison eingeläutet wurde, ist unser Chaoten-Jack wieder bester Laune und tapert fröhlich über unser Land. Aber Ginny fand das Sonnenlicht zu grell und den Garten unheimlich, es gibt den Punkt, wo das Leben nur noch Mühsal ist.

      
    Ginny, Du warst eigentlich gar kein richtiger Hund, Du warst eben eine Ginny, wie die Chefin zu sagen pflegte. Du hast an Deinem letzten Tag noch ein kleines Steak gegessen, Du hast für die Junior-Chefin noch einmal getrickst und für ein paar wunderschöne Fotos posiert, Du hast alles gegeben, so viel gegeben und als die Sonne untergegangen war, an diesem letzten Tag, bist Du
    eingeschlafen im Kreise derer, die dich liebten.

    Es sollte so sein, Dein Carlos