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    31.01.2021, 14:08 Uhr

    Sweet little sixteen


    Still und heimlich hat unsere kleine Ginny ihren 16. Geburtstag gefeiert. In ihrem Alter redet man lieber nicht so laut darüber, denn Gevatter Tod merkt sonst, dass er das kleine Schätzchen bisher übersehen hat.

      
    Früher haben die Menschen immer ein Hundejahr gleich sieben Menschenjahre gerechnet, dann wäre Ginny schon 112 Jahre alt, eine kleine Methusalixine. Dass sie so weit und so gut nach ihrem Schlaganfall mit Vestibularsyndrom letztes Jahr kommt, hätte damals niemand geglaubt, aber tatsächlich ist Ginny guter Dinge, eingeschränkt zwar, aber immer optimistisch!

      
    Durch den Schlaganfall ist der ganze Kauapparat etwas in Mitleidenschaft gezogen, und die Chefin hat das Gefühl, dass Ginny sich jeden Morgen erstmal daran erinnern muss, wie das mit dem Kauen so funktioniert: Deshalb gibt es für Madamchen Frühstück ans Bett, sprich: feinste Leckerchen, damit die Sinne und der Speichelfluss aktiviert werden und die morgendlichen Tabletten ein weiches Polster im Magen vorfinden.

      
    Tabletten bekommt Ginny wie alle Alten reichlich, für das Herz, für die Galle fürs Gehirn und für den Darm. Die chronische Darmentzündung hat sich nur noch mit täglicher Antibiotikagabe eingrenzen lassen, ein Glück, dass die Dinger nach über einem Jahr immer noch wirksam sind.
    Anstrengend ist, dass Madamchen durch ihre Tüddeligkeit die Stubenreinheit nur noch teilweise auf dem Zettel hat: Wenn sie muss, muss sie sofort, und wenn die Chefs nicht im Laufschritt mit ihr zur Terrassentür eilen, wird gnadenlos ins Haus gemacht. Das ist tagsüber nervend und nachts im Dreistundentakt echt anstrengend – für die Chefin wohlgemerkt, wir Hunde heben nicht mal den Kopf, wenn die beiden im Dunkeln schlaftrunken den Flur hinunter eilen.

      
    Die Tüddeligkeit hat aber auch ihre Vorteile – gegenüber der frechen Tilda ist Ginny überaus altersmilde, wahrscheinlich bekommt sie viele der Scheinattacken gar nicht mit. Manchmal rennen die beiden den Flur auf und ab: erst verfolgt Tilda Ginny und tatzt ihr rabenfrech auf den Rücken, dann bekommt sie Angst vor ihrer eigenen Courage und flitzt zurück, woraufhin Ginny ihr hinterher galoppiert, ohne das man weiß, ob sie das Katzentier wirklich verfolgt oder nur aus Spaß am Rennen hinterher geht.

      
    Mit dem Fressen hapert es oft, Ginny war ja schon immer keine besonders gute Fresserin. Jetzt im Ur-Alter stellt sich jeden Tag aufs neue die Frage, frisst sie das Futter noch, dass sie gestern gut fand, oder nicht. Mal nur Dosenfutter, dann plötzlich wieder gar nicht, dann ein paar Tage nur mit Katzenfutter gemischt, dann dies aber auch wieder nicht, es ist eine echte Herausforderung. Im Moment wechselt die Chefin zwischen 3 Trockenfuttern ab, die sie mit etwas Sahne oder Soße übergießt.

      
    Die Dame aus dem Futterhaus meinte neulich: „Um Himmels Willen, damit bringen Sie Ihren Hund doch um, strenges Seniorenfutter ist ein Muss!“ Tja, wenn sie das nun aber nicht frisst? Einen kleinen, alten Hund tagelang hungern lassen? Kommt nicht in Frage, Ginny bekommt, was sie mag, alle Sorgen um Gesundheit und Langlebigkeit haben wir bei ihr schon lange hinter uns gelassen.




    Draußen ist es für unser altes Püppchen zur Zeit meistens schnell zu kalt, selbst mit Mantel friert und schlottert sie. Aber Ginny weiß sich zu helfen: sie flitzt und rennt auf dem Hundeplatz herum, warum auch immer, freut sich jedes Mal wie verrückt, wenn sie bei ihren Rennereien auf die Chefin trifft, die ihr schnell ein paar Leckerchen zusteckt und rennt dann weiter.
    Manchmal verliert sie uns auch und wir müssen sie auf dem Gelände suchen, insbesondere wenn es dunkel wird. Taub und fast blind verirrt sich Ginny im Garten, den sie seit 15 Jahren kennt, aber Simba geht sie dann suchen und sobald Ginny sie wahrnimmt, rennt sie ihr voller Begeisterung hinterher. Denn Simba folgen, heißt die Chefin finden, und die hat ja die Leckerchen...

      
    Der Haupt-Lebensschwerpunkt ist heutzutage definitiv das Bett für unsere kleine Oma. Sie hat tatsächlich noch gelernt, die kleine Treppe zu benutzen, die ihr der Chef aufgebaut hat, denn ansonsten wäre der Sprung hinauf doch schon zu hoch.

      
    Im Bett wird geschlafen, gespielt, gekuschelt, zum Teil gegessen – alles was für unsereiner streng verboten ist. Aber Ginny bekommt wirklich alles, was ihr kleines Herz begehrt und das fordert sie auch ganz unbefangen ein!

      
    Bis in den Herbst hinein ist Ginny noch jeden Tag tapfer die große Runde mitgelaufen, aber als es dann wochenlang nur noch trüb und nass war, merkten wir doch, dass die 5 Kilometer zu viel für sie wurden. Jetzt hat die Chefin eine Kiepe gekauft, in der Madamchen sich tragen lässt, wenn sie nicht mehr kann.

      
    Übungen macht Ginny nur noch ganz sporadisch mit, sie kann die Signale schlicht und einfach nicht mehr sehen und seit dem Schlaganfall ist die Arbeitsbereitschaft insgesamt ziemlich in Rente gegangen. Leckerchen will sie aber trotzdem und so kreiselt sie als kleiner Ablenkungsfaktor um uns herum, wenn wir trainieren und bekommt die Leckerchen für umsonst – hoffentlich bin ich auch bald so alt!

      
    Von Tag zu Tag leben, nicht an Morgen denken, nicht über Vergangenes jammern und Verlorenes hadern – ein altes Hundchen ist wie ein Zen-Meister: auf das Wesentliche konzentriert und zufrieden in der Einfachheit des Seins.
    Hoffentlich bleibt Ginny noch ganz lange bei uns,
    das wünscht das ganze 2- und 4-beinige Rudel, viele Grüße, Euer Carlito